Liebes Archiv … Einträge vom Mai 2007

Zurück in die Zukunft - in prominenter Begleitung.

Mitten in der Nacht, einse war's, als ich gestern in der Business Lounge des Mehrabad-Flughafens in Teheran aufschlug. Ich fläzte mich träge auf das Kunstledersofa und döste ein. Gerade hatte die offensichtlich leicht verwirrte Tante am Übergepäckschalter ihren Fehler korrigiert und ich mußte nur ein Zehntel des erstgenannten Betrages zahlen. Letzte iranische Fehlleistung.
Ich komme wieder zu mir, schaue mich um und denke, Mensch, das Gesicht kennste doch. Hab meinen Augen oder meiner Erinnerung nicht getraut und mußte nochmal hingucken, die ganze Entourage und ein paar eher unauffällige Herren die die Gegend ihren Röntgenblicken unterzogen und freundlich-harmlos um sich lächelten. Die meisten westlichen Besucher schienen das temporäre Upgrade der ranzigen Lounge nicht zu bemerken.
Ich schwitzte leicht bei dem Gedanken, ihn um eine Fotoerlaubnis zu fragen, beließ es aber beim Schwitzen. Zum Glück, denn ich hätte mich komplett zum Obst gemacht, mein Gedächtnis für Gesichter ist um einiges besser als die Fähigkeit, ihnen die richtigen Namen zuzuordnen. Schließlich, nach ein paarmal Räkeln und scheelen Blicken zu dem unauffällig auffälligen Mann in schwarzem Umhang und Turban mit fusseligem Bart, so wie die Öffentlichkeit ihn kennt, schlenderte ich zum Flugsteig, denn die Zeit des Einsteigens nahte.
Endlich hatte ich meinen Sitzplatz eingenommen, da erschien der Troß wieder, spuckte einen ganz anderen, frisch rasierten und im Geschäftsanzug gewandeten Herren aus, in dem ich ihn immernoch erkannte, und zerstreuten sich in alle Ecken des Fliegers. Kein offizieller Besuch offensichtlich.
In Frankfurt stieg der Verein aus und ward wie vom Erdboden verschluckt.
Nun durchstöbere ich das Internetz und sehe ihn wieder: Wikipedia sei dank werde ich ihn nicht mehr mit ihm verwechseln. Wäre ja auch zu abwegig.

[] Berlin / Pfingstmontach, 28. Mai 2007

Hoch droben, wo einst die Assassinen hausten.


Der letzte Ausflug. Nicht, daß ich Herrn Ali verziehen hätte, aber er tut alles, mich zu besänftigen, ich kann ihn nur schwer abhalten, alles an Reiseverpflegung zu bezahlen was anfällt. Die Obstgärten der Region tragen und es gibt erste Aprikosen und Kirschen, natürlich Wassermelonen aus dem Westen des Landes, die fliegenden Händler reihen ihre blauen Kleinlaster am Straßenrand auf.
Wir fahren also in Richtung Norden, passieren Qazvin und steigen den Elbrus hinauf. Überall sitzen die Leute zum Picknick, nicht nur neben der Straße wie gewöhnlich, die Wiesen sind grün und die Luft würzig. Die Serpentinen führen uns hoch und wieder herunter, wir passieren Kirschbaumplantagen, reißende Flüsse und streunende Esel.
Und nach zwei Stunden stehen wir vor dem Fels, vor dessen Bewohnern einst hohe Persönlichkeiten zitterten. Ein gewisser Hasan-e Sabbah, Anführer einer ismaelitischen Sekte, hatte sich hier im zwölften Jahrhundert verschanzt. Er und seine Nachfolger sandten ihre mit Haschisch benebelten Jünger, später Assassinen genannt, zum Morden aus, nicht ohne ihnen vorher das Paradies zu versprechen. Die extrem langen Wege zum Arbeitsort wurden wohl damit abgegolten. Erst die Mongolen machten dem Spuk nach einhundertsechsundsechzig Jahren ein Ende, doch die Legende lebt weiter. Von den Resten der Festung Gazor Khan, fälschlicherweise auch gern nach der ganzen Region Alamut genannt, hat man einen guten Blick ins Tal und auf noch leicht verschneite Berge. Warum man hier nicht fotografieren darf, erschließt sich mir nicht. Deshalb ignoriere ich die Schilder auch heimlich, wie alle anderen.
Die in der Nähe gelegene Felsbehausung Shams Kelaye ist nicht so einfach zu erklimmen, also belassen wir es dabei und schrauben uns mit den anderen Irren wieder die Serpentinen zurück. Ein letztes Mal gen Parand.

[] Alamut / Freitach, 25. Mai 2007

Die Reise mit Herrn Ali und dem Schnellen Pferd.

Fünf Tage und zweitausendsiebenhundert Kilometer Gewaltmarsch liegen just hinter mir, gestern abend bin ich wieder in Parand aufgeschlagen. Die Zeit war viel zu kurz für diesen kleinen Teil des viel zu großen und interessanten Landes. Aus einem anfänglich einfachen Ausflug zum geschichtsträchtigsten - oder zumindest meist erwähnten - Ort, dem unbestrittenen Muß, Persepolis, ist eine Rundreise von Parand über die alten Herrschaftssitze Pasargadae und Persepolis, das wohlklingende Shiraz, das stirnrunzeln-verursachende Bushehr am Persischen Golf, das fruchtbare Khusestan mit seiner jahrtausendealten Geschichte und die Berge des Zagrosgebirges geworden. Und viel zu oft wollte ich anhalten und den zwölfhundert Fotos noch ein paar hinzufügen.
Der Übersichtlichkeit halber sind meine Erlebnisse leicht verdaulich in vier Teile portioniert, ich beginne einfach von vorn, das scheint für mich einigen Sinn zu machen.

Teil 1: Pasardagae und Naqsh-e-Rostam - Ruinen und Felsgrabmäler.

Abfahrt am Montagmorgen, kurzentschlossen und offen für Überraschungen - nur positive versteht sich. Und tatsächlich strahlt die Sonne nach Kräften, in der letzten Nacht hatte es noch so ausgesehen, als wenn die Hölle über Parand losbrechen wollte. …weiter

Teil 2: Persepolis - Schutthaufen mit Geschichte.

Ziemlich unvorbereitet stehe ich vor dem Steinplateau, auf dem Parsa, griechisch Persepolis, oder besser deren Reste aufgebahrt sind. Die Sonne brennt. …weiter

Teil 3: Shiraz - Eine Stadt.

Weit ist es nicht mehr in die Stadt, die der Welt den Wein geschenkt und ihn sich selbst wieder weggenommen hat. Wir halten vor dem Stadttor und während Herr Ali sich der Marinade annimmt, erklimme ich den Berg für eine Aussicht auf Shiraz.                     … weiter

Teil 4: Bishapur, Bushehr und Shushtar - Alles voller Ruinen.

Mit Shiraz sind wir also durch und wenden uns westlich gen Bushehr. Auf dem Weg dahin liegt Bishapur, Reste einer befestigten Stadt aus der Zeit der Sassaniden. Der Regen, der uns hinter Shiraz empfangen hat, klingt endlich ab.                                               … weiter

[] Unterwegs / Freitach, 18. Mai 2007

Guck mal wer da kreucht!


Ich muß regelmäßig in die Steppe, nennt mich Humboldt, um die Entwicklungen der Flora und Fauna auszuwerten. Kratzige Büsche, im letzten Herbst noch vertrocknet und braun, holzige, verdörrte Strünke und hutzelige Pflänzchen, im Winter schneebedeckt, sprießen und es summt und brummt, raschelt und zischt allerorten - wenn man genau hinhört. Hier ist es nicht wie im Regenwald, wo man vor Naturterror sein eigenes Wort nicht verstehen kann, es wird verhalten gewachsen und kopuliert. Man sitzt gemütlich auf Blumen, knabbert ein bißchen dran, steckt zwischendrin mal einen weg, solange der Atem der Pflanzen noch reicht, denn der Frühling hat das Armdrücken gegen den Sommer schon fast verloren, der Fluß ist wieder zahm, der Regen rar, die Sonne brontal.
Schattige Felsvorsprünge sind um die Mittagszeit schwer zu finden, als ich schließlich einen ausgemacht hatte, wurde ich gleich angefaucht von einer verängstigten Echse - keine Sorge um mich, wer vorsichtiger ist als ich, der ist tot! - ein paarmal geblitzt zog sie knurrend von dannen. Etwas später erwischte ich noch eine, kleine Vögel schimpften aufgeregt, denn dieser Kamerad wollte ihr Nest in einem dornigen Busch ausräubern - ich habe also mit meiner bloßen Präsenz in den Lauf der Natur eingegriffen und auch er zog fauchend ab. Man kann nicht einfach nur Beobachter sein, das Objekt wird beeinflußt. Kennen wir ja von der täglichen Fernsehberichterstattung. Naja, hier hat keiner in die Kamera geweint. Jedenfalls bestätigt sich wieder, in Parand wird es nie langweilig...

[] Steppe Parand / Freitach, 11. Mai 2007

Neues aus Parand.


Unterhalb von Parand, der aufblühenden Metropole unweit südlich der Hauptstadt Irans, entsteht ein Natur- und Freizeitpark, wie er jetzt schon seinesgleichen sucht. Hier wird nicht gekleckert. Und wer der Meinung ist, Parand sei ein langweiliges Nest in der Salzwüste und wird es auf ewig bleiben, dem sei der folgende Beitrag ans Herz gelegt.
                                              
Es war Freitag und die Sonne schon nahe ihrem Zenit, als ich aufbrach. Während ich das schreibe, sind die Auswirkungen ihrer Einstrahlung wohl abgeklungen und ich kann schon wieder feste Nahrung aufnehmen, aber die Erinnerungen bleiben davon eingefärbt.
                                              
Unterhalb der Stadt also, die weiter und weiter dem Flußbett entgegenwächst, wird aus Abraum ein gigantischer Berg aufgeschüttet. Jede dreieinhalb Minuten, so korrekt zu sein erfordert hierzulande einige Anstrengung, entledigt sich auf dem Plateau der Erhebung ein schwerer Kipper seiner Fracht. Sobald die geplante Größe des Bauwerks erreicht ist, wird er mithilfe des Atoms (sic!) zu einem homogenen Klumpen verbacken werden und dem echten Uluru täuschend ähnlich sein. Das macht Parand sogar für Australier attraktiv, da das Original bekanntlich ein Heiligtum der dortigen Ureinwohner ist und die Geister sich durch die Touristen erheblich belästigt fühlen, wie man weiß. Hier gibt es keine Geister. Wer hätte dem iranischen Tourismusminsterium diesen Weitblick zugetraut!
                                              
Am Fuße des zukünftigen Monolithen hat sich der Urinoco (oder Po, über seinen Namen ist man sich noch nicht einig) sein imposamtes Bett gegraben, das in Kürze dem Grand Cañon Konkurrenz machen soll. Beim derzeitigen Besiedlungstempo sind die Formen noch in diesem Jahr vollständig ausgebildet. Die Aussichtsplattform wird bereits gefertigt.
                                              
Der Fluß hat seinen Ursprung gemeinsam mit dem der niemals zufriert, auch wenn das geografisch weit hergeholt scheint. Wo der Urinoko hinfließt ist entgegen seiner selbst nicht ungeklärt, denn er mündet in den salzigen Fluß, (nichts anderes heißt Rud-e-Shur), leider viel zu weit stromabwärts der beliebten Rastplätze, als daß Picknicker und Badende sich an seiner Couleur und seinem Odeur erfreuen könnten. Denn wirklich, nicht von ungefähr folgte ich seinem Lauf, ich fühlte mich ihm verbunden, er trug etwas von mir in sich, das spürte ich deutlich, nur kam ich nicht darauf, was es war.
                                              
Weiter flußabwärts, wo aus dem Cañon schon ein breites Flußtal geworden war, stieß ich auf einen Platz, von dem ganz offensichtlich eine große Picknickgesellschaft recht übereilt hatte aufbrechen müssen und ein großer Teil des Geschirrs zurückblieb. Kunstvoll gearbeitete Stücke waren darunter, goldverziert und handbemalt. Wäre ich nicht vollständig ausgestattet, hätte ich mich bedient, so mußte ich alles liegenlassen.
                                              
Weiter dem Rud-e-Shur entgegen traf ich auf den einladend grün schimmernden Pipicacasee, ganz allein war ich hier. Die Watvögel - es müssen Flußstelzen gewesen sein, denn weit und breit war kein Bach zu sehen - kreischten, weil sie sich von mir bedroht fühlten. Ich versuchte sie vor die Linse zu bekommen, doch sie blieben mir zu fern.
                                              
Nun bewegte ich mich durch das Schwemmgebiet am salzigen Fluß hinauf zu den Brücken. Das angenehm kühle Schmelzwasser war klar wie Frappeé. Hier wuschen die Leute ihre Autos, ihre Wolle und alles was ihnen einfiel, wer wußte auch wielange das Wasser noch so sauber bleiben würde! Ich ruhte ein Weilchen im Schatten der Brücke aus, noch unwissend welche Qualen die Kraft der Sonne mir später bereiten würde.
                                              
Von hier unten hat man einen guten Blick auf den zweiten Berg, der weiter flußaufwärts errichtet wird - noch ein Uluru? Oder doch ein Popocackepekl? Dann fehlt noch die Spitze. Lassen wir uns überraschen. Meine Wasserflasche war nun leer, ich schleppte mich zurück in meine Behausung, den Tag siechend zu beenden. Aber erst am nächsten Tag ging es mir richtig dreckig. Merke: Laß die Sonne in dein Herz, aber bedecke vor ihr den Kopf.

[] Parand/Rud-e-Shur / Freitach, 04. Mai 2007

Von Mineralwasserfällen und Basardächern.


Am Donnerstag hatte ich mir frei genommen und mich auf Herrn Alis Vorschlag eingelassen, nach Niasar zu fahren. In dem mit Mineralquellen gesegneten Gebiet werden vor allem Rosen angebaut und deren Blüten ihrer Essenzen beraubt. Diese werden in Wasser aufgelöst um es zu verkaufen. Ich habe probiert, Rosenwasser ist nicht mein Geschmack. Minzwasser schon eher, die Liste der erhältlichen Geschmacksrichtungen ist lang.
Niasar ist wochentags sicher ein beschauliches Dorf mit frischem Klima, aber nun besetzten tausende Busse mit jungen Studenten jeden Winkel. Der Wasserfall ist die Hauptattraktion und alles schiebt sich die Gassen und schmalen Treppen hoch und runter. Das eingezwängte Wasser sucht sich seinen Weg und mit trockenen Füßen oben am Sommerhäuschen eines der vielen Schahs anzukommen ist schwierig. Ich traf eine Studentengruppe aus Esfahan und stieg mit ihnen in eine enge Gebetshöhle, die vor langer Zeit gegraben wurde. Da drin kann man an kaum einer Stelle aufrecht stehen, kleine Leitern führen hoch und runter, beklemmender als ein Fahrstuhl, so platzte auch eins der Mädels vor Angst und wir mußten in gebeugtem Gang wieder zurück. Dann erklommen wir noch den nahen Tschar-Taghi-Tempel aus zarathustrischer - also vor-islamischer - Zeit.
Herrn Alis Frau hatte Fleisch eingelegt, wir zwei suchten uns ein ruhiges Plätzchen in einem Obstgarten und warfen den kleinen Grill an. Ich machte die Spieße fertig und Herr Ali kümmerte sich ums Feuer. Ich mußte mehr essen als ich wollte.
Dann ging es nach Kashan, das dem aufmerksamen Leser ja bereits durch seine imposanten Herrschafthäuser bekannt ist. Was ich noch nicht gesehen hatte, war der Basar. Die Geschäftigkeit ließ schon langsam nach, einige Läden schlossen bereits, die Sonne senkte sich und wir stiegen aufs Dach, das noch nach althergebrachter Art mit Lehm gedeckt ist. Innen erschließen sich imposante Hallen in schlechtem Zustand.
Ich wollte lieber im Bett schlafen, Herr Ali wäre für eine Nacht im Zelt zu haben gewesen und hatte alles eingepackt. Aber es ging zurück nach Parand. Wie immer.

[] Niasar/Kashan / Donnerstach, 03. Mai 2007

...und hier geht's weiter in die Vergangenheit.